Kapitel 3.1
Risikoeinschätzung und Risikominimierung
Bei der Risikoeinschätzung werden die Gefährdungen vor und nach Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen eingeschätzt. Die Normen konzentrieren sich jedoch darauf, die erforderlichen Sicherheitsanforderungen direkt und ohne wiederholte Einschätzungen zu erreichen.
Risikoeinschätzung: Jenseits von EN ISO 13849-1
Wenn Ingenieure über die Risikobeurteilung sprechen, meinen sie oft eher die sogenannte „Risikoeinschätzung“, bei der man abschätzt wie schwerwiegend eine Gefährdungssituation ist. Viele möchten das Risiko zunächst ohne Schutzmaßnahme einschätzen und dann ein zweites Mal nachdem Schutzmaßnahmen festgelegt wurden.
Aber ist das wirklich erforderlich? Du kurze Antwort lautet: Nein.
Die anwendbaren Normen verlangen keine solchen Vorher-/Nachher-Risikoeinschätzungen. Insbesondere wenn der Hauptzweck der Risikoeinschätzung darin besteht, den geforderten Performance Level (PL) oder das Sicherheitsintegritätsniveau (SIL) für Steuerungsfunktionen festzulegen, ergibt eine Nachher-Risikoeinschätzung kaum einen Sinn.
Man könnte es mit einer Balkenwaage veranschaulichen. Auf der einen Waagschale liegt der PLr oder SILcl als Ergebnis der Risikoeinschätzung. Der PLr definiert die geforderte Zuverlässigkeit des sicherheitsbezogenen Steuerkreises. Auf der anderen Waagschale liegt die Steuerungsfunktion, die die geforderte Zuverlässigkeit erreicht, d. h. die dem geforderten PL oder SIL entspricht. Die Waage ist im Gleichgewicht, denn die Anforderungen werden erfüllt. Es ist folglich nicht notwendig, das Risiko noch einmal einzuschätzen.
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Vorher-/Nachher-Risikoeinschätzung
Was aber, wenn man trotzdem Risikovergleiche (vorher/nachher) anstellen möchte, oder wenn der Endkunde sie verlangt?
Die in EN ISO 13849-1 dargelegte Methode ist für diesen Zweck kaum geeignet; denn sie kennt für jedes Risikoelement nur zwei Stufen. Um das Risiko ohne und mit Schutzmaßnahme sinnvoll einschätzen zu können, benötigt man eine Methode mit einer feineren Auflösung.
Die nachfolgende Tabelle zeigt die Risiko-Kriterien, die in EN IEC 62061 dargelegt sind. Die Norm enthält die am besten dokumentierte Risikoeinschätzungsmethode mit der höchsten Auflösung und wird daher von Axelent empfohlen.
Diese Methode umfasst vier Stufen für die Verletzungsschwere, fünf für die Häufigkeit und fünf für die Wahrscheinlichkeit des Eintretens sowie drei für die Möglichkeit das Gefährdungsereignis zu vermeiden. Das ermöglicht es, deutliche Unterschiede zwischen dem Risiko ohne und mit Schutzmaßnahme herauszustellen.
Allerdings sollte man sorgfältig darauf achten, bei der Nachher Risikoeinschätzung das richtige Risikoelement zu reduzieren. In den meisten Anwendungen reduzieren die Schutzmaßnahmen nicht die Schwere der möglichen Verletzungen. Das ist normalerweise nur möglich, wenn man die Antriebsenergie reduziert. Daher verändert sich in den meisten Fällen nur die Wahrscheinlichkeit des Eintretens des Gefährdungsereignisses.
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Risiken mindern
Die Maschinenrichtline/Maschinenverordnung setzt für die Auswahl von Schutzmaßnahmen auf drei grundlegende Schritte.
- Sicherheit soll in Produkten inhärent sein.
- Wo dies nicht möglich ist, soll Sicherheit konstruktiv erreicht werden.
- Schließlich, das niedrigste Sicherheitslevel liegt vor, wenn Sicherheit vom Verhalten von Personen abhängt. Solche Sicherheit durch Warnhinweise sollte eher die Ausnahme als die Regel sein.
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Kriterien für die Auswahl von Schutzeinrichtungen
Eine trennende Schutzeinrichtung ist eine physische Barriere, die den Zugang zu einer Gefahrenquelle verhindert.
Ein Schutzzaun von Axelent ist ein typisches Beispiel. Man kann das Problem auch von der anderen Seite des Zauns aus betrachten: Die trennende Schutzeinrichtung soll auch verhindern, dass die Gefährdung den Menschen erreicht.
Allerdings sind trennende Schutzeinrichtungen oft im Weg, wenn es um das Einrichten der Maschine, Störungsbeseitigung oder Wartung geht.
Vor diesem Hintergrund lassen sich die zwei hauptsächlichen Auswahlkriterien für Schutzeinrichtungen gut verstehen:
- Die Art der Gefährdung – Quetschen, Scheren und/oder Herausschleudern von Teilen, Herausspritzen von Flüssigkeiten usw.
- Die Häufigkeit des Zugangs –
kein Zugang erforderlich
selten: weniger als einmal in der Woche
oft: täglich oder sogar mehrmals pro Stunde
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